Hallo miteinander,

wenn ich mich daran erinnere, welche Fernsehsendungen meine Schwester und ich als Kinder besonders gerne geschaut habe, kommen mir insbesondere zwei Zeichentrickserien in den Kopf: „Heidi“ und „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“. Während ich meine Liebe zu Bergen in Teilen mit auf die erstgenannte Serie zurückführe, habe ich in den vergangenen Wochen die Nachwirkungen der zweitgenannten auf mich erfahren. Im Bochumer Stadtpark haben sich zahlreiche Wildgänse niedergelassen und dort Junge – diese werden „Gössel“ genannt – bekommen. Stundenlang könnte ich ihnen zuschauen! Neben Nilgänsen sind es vor allem Kanadagänse, die rund um die Teiche im Park leben. Regelmäßig sind mein Mann und ich dort unterwegs und fotografieren die Gänse und ihre Küken.

Besonders in diesem Jahr scheinen die Gänse sich an den zahlreichen Spaziergängern*innen im Park nicht zu stören. Was bleibt ihnen auch anderes übrig – in Corona-Zeiten, in denen viele durch das städtische Naherholungsgebiet wandern? Immer wieder treffen wir auch auf Menschen, die mit den Gänsen sprechen. Dabei fiel mir der Heilige Franziskus und seine Vogelpredigt ein. Der Sage nach näherte Franziskus sich auf einer seiner Reisen einer Schar Vögel und war vor Begeisterung völlig aus dem Häuschen, als diese nicht wegflogen, sondern sitzenblieben und ihn interessiert musterten. Franziskus betrachtete dies als Zeichen, die Vögel mögen dem Wort Gottes lauschen. Und so sprach er zu ihnen:

„Meine Brüder Vögel! Gar sehr müsst ihr euren Schöpfer loben und ihn stets lieben; er hat euch Gefieder zum Gewand, Fittiche zum Flug gegeben und alles, was ihr nötig habt. Vornehm machte euch Gott unter seinen Geschöpfen, und in der reinen Luft schuf er euch Wohnung. Ihr sät nicht und erntet nicht, und doch schützt und leitet er euch, ohne dass ihr euch um etwas zu kümmern braucht.“

Irgendwie surreal die ganze Situation und Franziskus kommt dabei eher unkonventionell rüber. Oder deutlicher gesprochen: ziemlich spleenig. Gerade das macht ihn zu einem solch spannenden Charakter. Denn sind es nicht genau diese unkonventionellen, ungewöhnlichen, spleenigen Menschen, die das Angesicht der Welt verändern? Franziskus darf hierbei nicht auf den einfachen, vielleicht sogar einfältigen Tierfreund reduziert werden, als der er manchmal dargestellt wird. Er muss als systemischer Denker verstanden werden: Er betrachtete die gesamte Welt um sich herum als ein System, als Schöpfung Gottes. Diese Sichtweise lies ihn eine große Verbundenheit mit allem Geschaffenen, mit allen Geschöpfen spüren: Alles hat seinen Ursprung in Gott, alles steht in Beziehung miteinander, nichts kann losgelöst von der*m Anderen verstanden werden.

Wenn ich Teil des Systems bin genauso wie jeder andere Mensch, jedes Tier, jeder Baum, wie absurd ist es dann, diesen anderen Menschen, diesen Baum, dieses Tier nicht in dergleichen Weise zu lieben, zu achten und zu umsorgen wie mich selbst?! Wenn wir doch alle in einem Boot sitzen, warum sind wir Menschen dann so kreativ darin, immer mehr Löcher in den Rumpf dieses Bootes zu bohren? Fangen wir endlich an, die Welt franziskanischer zu verstehen und zu denken und entsprechend zu handeln. Jetzt ist die Zeit!

Viele Grüße,

Ihre und Eure Theresa Schramke