Liebe Mitchristen,

gestern Abend hieß es ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen. Im Internet, auf YouTube, kann man dieses Wochenende kostenfrei die Bühnenversion des Musicals „Cats“ anschauen, man ist eingeladen für derzeit arbeitslose Künstler oder den chronisch unterfinanzierten staatlichen Gesundheitsdienst in England zu spenden…. 

Lang ist’s her, das ich das Stück live im Theater gesehen habe und den wunderbaren Charakteren, die T.S. Eliot in den 1930ger Jahren in seiner Sammlung von Katzengedichten erschaffen hat, begegnet bin. Gus, die Theaterkatze, die über ihre grossen Auftritte auf der Bühne sinniert, Bustopher Jones, groß an Ego und Statur ob seiner noblen Herkunft, Mr. Mistoffelees, schwarz mit weißen Pfoten und Gesicht, geschmeidig und energiegeladen, so dass ihm magische Fähigkeiten attestiert werden,

Rum Tum Tugger, der die Damenwelt reihenweise in Ohnmacht fallen lässt, Jennyanydots, die nachts im Verborgenen den Haushalt schmeisst, Old Deuteronomy, der weise Anführer der Jellicle Cats, der am Ende entscheidet, welche Katze zu einem neuen Leben wiedergeboten werden darf, und natürlich Grizabella, die Glamour Cat, die sehnsüchtig ihr früheres Leben voll Glanz und Bewunderung erinnert, jetzt aber von allen gemieden, ja ausgegrenzt, wird.

Sie aber ist es, die den entscheidenden Satz im Welterfolg „Memory“ singt: Wenn du mich berührst, dann erkennst du, was Glück bedeutet.

Für Viele war, für Viele ist derzeit eine Berührung eine Erinnerung, eine Sehnsucht. Etwas, was wir doch eigentlich als selbstverständlich ansehen. Ein Hände schütteln, eine Umarmung, ein Kuss auf Wange oder Stirn zur Begrüßung oder zum Abschied…, eine Erinnerung. Was wichtig ist weiss man erst, wenn man es nicht mehr hat, so sagt man ja auch. All die Erfahrungen, die Talente, Erfolge und Misserfolge, aller Reichtum und alle Armut, sie treten einen Schritt zurück, wenn Berührung geschehen kann, sie bedeutet Anerkennung, Trost, Hilfe, Stärkung.

Ja, sie kann auch Schmerz, Unterdrückung, Gewalt bedeuten, es kommt schon darauf an, wie eine Berührung gemeint ist. Doch wenn sie gewollt empfangen und zum Guten gegeben wird, dann bedeutet sie Glück. Ich wünsche uns, dass wir dieses Glück alle wieder erfahren dürfen, und vielleicht auch wieder neu wertschätzen, wenn es wieder ungehindert möglich ist.

Ihr

Pastor Martin Schlageter