Liebe Mitchristen,

manchmal bleibe ich hängen, kommt mir etwas komisch vor, möchte ich gern verstehen wie oder warum etwas ist wie es ist. Und dann kann ich hartnäckig sein…

So ging es mir gestern mit dem Lied „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“, mit dem wir unsere erste Heilige Messe nach dem Lockdown begonnen haben.

Meist bin ich nicht ganz so begeistert von den älteren Liedern, geb ich zu, manche Texte sind mir zu viel, zu schwer, zu verschwurbelt und auch zu fromm…., aber diese Lied find ich schön, in ein paar Strophen die Ostergeschichte erzählt, da hat man was.

Beim kopieren des Liedtextes für die Anzeige im Livestream bin ich auf die Anmerkung gestoßen, dass die dritte Strophe des Liedes, wenn die Frauen zum Grab kommen,  erst 2010 getextet wurde und so der Anschluss zur nächsten Strophe logischer ist, da die Frauen im Original erst in der achten Strophe kommen und es dann noch weiter geht, weil es sich ja um ein „Erzähllied“ von Michael Weiss handelt mit insgesamt 20 Strophen…..

Und jetzt müssen Sie stark sein, denn ich hab dann mal gesucht und den Originaltext im Angebot der Bayrischen Staatsbibliothek gefunden. Es dauert ein wenig, bis man sich in die Sprache des 16. Jahrhunderts eingelesen hat und nicht immer erkennt man sofort, welches Wort im heutigen Deutsch da eigentlich stehen würde, aber es lohnt sich, versprochen!!

1
Gelobt sei Gott im höchsten thron
samt seinem eingebornen Sohn
der für uns hat genug gethan, halleluja.

2
Als er allhie gewandelt hat
versünet sünd und missethat
durch seinen unschuldigen tod, halleluja.

3
Nach welchem er gesalbet ward
begraben nach jüdischer art
unnd da mit hütern wol verwart. halleluja

4
Des morgens frü am dritten tag
weil noch der stein am grabe lag
erstand er frey on alle klag. halleluja

5
Ein Engel steig vom himel hrab
und thet den grossen stein vom grab
welches den hütern erschrecken gab. halleluja

6
Da er also das grab auffbrach
bald ein groß Erdbeben geschach
davon der Hüter kraft zubrach. halleluja

7
Der Engel saßt sich auff den stein
sein kleid war weiß, sein antliz schein
gleich wie der bliß ganz hell und rein. halleluja

8
Da kamen weibesbilder dar
wurden des Engels auch gewar
und entfaßten sich ganz und gar. halleluja

9
Der Engel sprach, So fürchte euch nicht
denn ich weiß wol was euch gebricht
Ihr sucht Jesum, den findt ir nicht. halleluja

10
Er ist erstanden von dem tod
hat überwunden alle not
kombt seht wo er gelegen hat. halleluja

11
Sie giengen furchtsam in das grab
inn dem da saß ein ander knab
des glanz ihn auch erschrecken gab. halleluja

12
Da sagten die Engel zu in
den ir sucht, der ist schon dahin
in Galilea findt ir in. halleluja

13
Denckt was er euch gesaget hat
wie er würd aufferstehn vom tod
und wisst daß sichs ergangen hat. halleluja

14
Geht hin und sagt sein Jüngern frey
daß er vom tod erstanden sey
unnd dencket seiner Wort dabey. halleluja

15
Heist sie inn Galileam gehn
daß sie da selbst vor im gestehn
so bald ein wenig tag vergehn. halleluja

16
Die Weiber fehlten diser lehr
und sagten dem betrübten heer
wie Jesus weggetragen wer. halleluja

17
Doch glaubten diß die Jünger nicht
weil ihn dise waare geschicht
noch nicht recht kam für ir gesicht. halleluja

18
Nun bitten wir dich Jesu Christ
weil du vom tod erstanden bist
verley was uns seliglich ist. halleluja

19
O mach unser herzen bereit
anzunemen dein waarheit
on alle eigensinnigkeit. halleluja

20
Damit wir von sünden gefreyt
deinem Namen gebenedeit
frey mögen singen allezeit. halleluja

Michael Weiss war ein Zeitgenosse von Martin Luther, hat sogar eine Zeit mit ihm gemeinsam gearbeitet. Wir befinden uns am Anfang des 16. Jahrhunderts, eine Zeit, die geprägt war von Unsicherheit, Hass und Gewalt, hoffen und bangen, Machtversessenheit und Wille zum Aufbruch…, kommt einem irgendwie bekannt vor.

Da nun durch Luther die Stelle des Bibelübersetzers bereits vergeben war, hat Weiss Kirchenlieder auf deutsch geschrieben, hunderte davon, und sie Dank des grad in Mode seienden Buchdrucks weit verbreiten können.

Das Lied „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“ ist dabei in bester biblischer Tradition geschrieben, man nehme mehrere Quellen, fasse sie in einem neuen Text zusammen und füge noch seine eigene Botschaft hinzu…, die gesamte Bibel ist so entstanden!

Michael Weisse bedient sich der Evangelien, um die Ostergeschichte zu erzählen, deshalb „Erzähllied“, und fügt am Ende noch eine Lehre hinzu, die er vermitteln möchte.

Das Geniale in diesem Lied ist die Strophe 17!

In etwas modernerem Deutsch:

„Doch die Jünger glaubten nicht, denn diese wahre Geschichte passte nicht so recht zu dem Gesicht, das sich machten.“

Zumm - da saust der Hammer nieder, nachträglich verpasst Michael Weisse den Jüngern eine schallende Ohrfeige! Es passt nicht zu ihrem Gesicht, es passte nicht dazu, dass sie nicht mit der Auferstehung gerechnet haben, obwohl Jesus es ihnen vorab schon verraten hatte, es passte nicht, dass sie falsch lagen, sie hatten Angst davor, ihr Gesicht zu verlieren, wenn sie den Fehler eingestehen würden. 

Wie hochaktuell das doch ist, heute werden Menschen mit verbogenen Wahrheiten, Selbstverliebtheit und negieren von Tatsachen Präsidenten oder leiten einen Automobilkonzern….

Und Weisse schafft es, in drei Zeilen die gesamten Nachösterlichen Ereignisse zusammen zu fassen: Weil die Jünger nicht glaubten, kehrten sie Jerusalem den Rücken, wollten wieder zurück ins alte Leben und Jesus musste sie wieder einsammeln, ihnen erscheinen, sie wieder auf die Spur setzten bis sie es endlich einsahen und das taten, wofür wir sie heute als Heilige verehren: von der Auferstehung künden.

Welch Kraft, welch Größe, welch Dynamik in so wenigen Worten - einfach wunderbar!

Michael Weisse schließt mit einer dreistrophigen Bitte: Jesus möge uns helfen, nicht denselben Fehler wie die Jünger damals zu machen, unser Herz für die Wahrheit zu öffnen, damit wir das einzig wahre tun können, den Namen Jesu zu singen.

Wie gesagt…, ein schönes Lied.

Ihr

Pastor Martin Schlageter