In den vergangenen Tagen habe ich mehrmals gelesen, wie wichtig es ist, Routinen in den Alltag zu Corona-Zeiten einzubauen: Um dem Tag eine Struktur zu geben, um in Bewegung zu bleiben, um nicht total zu ‚versumpfen‘. Zu meiner täglichen Routine ist seither eine Jogging-Runde geworden. Die Zeit, die ich sonst morgens im Auto auf dem Weg von Bochum nach Wuppertal verbracht habe, verbringe ich nun – da ich von zu Hause aus arbeite – in Laufschuhen an der frischen Luft.

Eine meiner Jogging-Runden führt mich dabei durch einen kleinen Schrebergarten in unmittelbarer Nähe zum Förderturm des Deutschen Bergbaumuseums. Dort lief ich kürzlich an einer Mutter mit ihrem kleinen Sohn vorbei, die dort spazieren gingen. Der Junge lernte scheinbar gerade das Zählen zweistelliger Zahlen: „Vierzig, vierzig-und-eins, vierzig-und-zwei…“ „Nein“, unterbrach ihn seine Mutter. „Das heißt ‚ein-und-vierzig, zwei-und-vierzig…‘.“ „Hä, warum?“ fragte ihr Sohn.

Tatsächlich eine gute Frage, überlegte ich im Vorbeilaufen. Es wäre doch absolut logisch zu sagen ‚vierzig-und-eins, vierzig-und-zwei, vierzig-und-drei‘ und so weiter. So wie es in der englischen, der französischen und in vielen anderen Sprachen der Fall ist: Erst schaut man auf das große Ganze (die vierzig), dann auf die vielen kleinen Teile (die eins, die zwei, die drei…). Vom Großen zum Kleinen, sozusagen.

Es gibt aber auch gute Gründe, warum wir manchmal unser Augenmerk zuerst auf das Kleine, das Wenige richten sollten. Genau das machen wir im Moment: Wir achten auf eine Gruppe unserer Gesellschaft und versuchen, diese besonders gut zu schützen, damit möglichst wenige aus dieser Gruppe krank werden. Das große Ganze – unsere Gesellschaft – rückt somit hinter das kleine Ganze – die etwas Schwächeren, die gesundheitlich vielleicht bereits Angeschlagenen und die Älteren. Vermutlich ist dies eine Erkenntnis, die wir aus dem Corona-Zeitalter mitnehmen: Sich nicht im Gesamtbild verlieren, sondern auch das Kleine mal an erste Stelle rücken. In unserer Sprache – in unserem Zählsystem – findet sich diese Haltung jedenfalls jetzt schon wieder.

Ihre

Theresa Schramke