Liebe Leser*innen

Lassen Sie sich ruhig einmal das heutige Tagesevangelium auf der Zunge zergehen… es ist nach meiner Meinung einer der schönsten Stellen im Johannesevangelium:

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.
Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.
Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.
Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.
Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.
Dies trage ich euch auf: Liebt einander.“ (Joh.15.12-17)

Jesus nennt die Jünger uns somit auch uns mit diesen Worten „Freunde“. Die Freundschaft ist eine Beziehung zwischen Gleichen, keine hierarchische oder asymmetrische, sondern etwas, was auf Augenhöhe geschieht. Das ist etwas unglaublich Wundervolles in unserer Gottesvorstellung: Gott sucht die Beziehung zu uns als Freund, er erwartet in seiner Freundschaft keine Gegenleistung, sondern lädt uns ein, zu diesem Angebot „Ja“ zu sagen.

Anders als manche andere Religionen oder auch Weltanschauungen, ist unser Christentum keine leistungsorientierte Glaubensgemeinschaft, sondern eine Gemeinschaft der Freundschaft mit Gott – und, das kann und darf unseren Alltag prägen, eine Freundschaft zu Menschen.

In diesen Tagen erlebe ich verstärkt, was Freundschaft ausmacht. Während ich so nach und nach von meinem Vater Abschied nehmen muss, sind Freund*innen von mir einfach da. Ohne, dass sie von mir etwas Bestimmtes erwarten, einfach nur so. Das ist eigentlich ein wunderbares Gefühl, dass übrigens nicht unbedingt mit physischer Nähe zu tun haben muss, es gelingt auch über Distanz, selbst von Wuppertal aus bis nach Vrsac in Serbien oder nach Tirana in Albanien.

Dass diese Freundschaft Gottes mit den Menschen dennoch auch eine Einladung zum Handeln und zum Mitleben ist, wird für mich aus der Natur der Sache deutlich. Gott ist in jedem Menschen da, sein Angebot ist universal. Entsprechend darf ich mich auf die Suche nach ihm machen und ihn in den Menschen dieser Welt finden. Für mich hat Mission entsprechend ein andere als die „traditionelle“ Bedeutung. Ich muss nicht Gott zu Menschen bringen, er ist als Freund schon da, ich darf ihn finden und in mir selbst auch anderen anbieten. „Ubi caritas et amor, deus ibi es“, so lautet ein bekanntes Lied aus Taizé. Machen Sie sich auf und erfahren Sie diese Freundschaft und die Freundesliebe Gottes in Ihrer Nachbarschaft, in der Stadt, auf der Welt.

Thomas Willms