Alles in der Schwebe – Eine stille Zeit in der Offenen Tür Raphaelo

Stille – etwas, das selten vorkommt in der OT Raphaelo und auch nicht so richtig dorthin gehört. Seit mehreren Wochen bleiben die meisten Kinder nun schon daheim. Ein kleiner Überblick, wie ich die Corona-Zeit wahrnehme und wie es ist, wenn man plötzlich getrennt von den Kindern ist.

„Normalerweise kümmert sich unser Team um ca. 60 Kinder und Jugendliche. Momentan sind es nur noch zwei. Beide in unserer Notbetreuung. Seit unsere Offene Tür Mitte März geschlossen hat, arbeiten wir nur noch zu zweit in der Einrichtung. Alle anderen Kolleginnen sind auf Abruf jederzeit einsetzbar und sparen zur Zeit ihre Stunden für die Sommerferien auf.

Zeit, um den Kindern zu erklären, was gerade passiert, hatten wir leider nicht. Wir bekamen Freitagvormittag Bescheid, dass die OT Raphaelo am Montag schließen würden. Ab dem Zeitpunkt mussten wir ziemlich viel organisieren, um die Eltern ausreichend informieren zu können.
Es ist auch schwer, den Kindern zu erklären, was gerade passiert. Vor allem, weil wir selbst nicht genau wissen, wie es weitergeht. Als Erzieherinnen stehen wir selbst in der Schwebe. Für die meisten Kinder war der Freitag deswegen ein ganz normaler Tag. Ebenso wie die Tage zuvor.

Unserem Team und mir ist es wichtig, mit den Kindern und Jugendlichen in Kontakt zu bleiben. Wir wollen weiterhin ein Teil im Leben der Kinder und Jugendlichen sein und ihnen das Gefühl geben, dass wir da sind. Wie wichtig es ist, die Verbindung zu den Besuchern aufrechtzuerhalten, hat mir folgende Situation gezeigt: Vor ein paar Tagen bekamen wir die Rückmeldung einer Mutter, dass sich ihr Kind ständig nach der OT und den Mitarbeitern erkundigt und Fragen stellt.

Wir Betreuerinnen schreiben gegen die Distanz an

Um weiter für unsere Besucher und die Eltern da zu sein, haben wir vor Ostern für die Kinder Osterkörbchen gebastelt, die sie sich mit ihren Eltern bei uns abholen konnten. Außerdem bekommen die Kinder und Jugendlichen täglich ein Rätsel von uns zugeschickt, mit dem sie bei uns an einem wöchentlichen Preisausschreiben teilnehmen können. Für die Eltern gibt es eine telefonische Sprechstunde, so dass wir sie zu Hause mit unserem Rat aus der OT unterstützen können.

Wenn die Kinder aus der Notbetreuung abgeholt sind, arbeite ich viele Dinge auf, die sonst im Alltag liegen bleiben. Ansonsten ist es schwer, etwas für die Besucher vorzubereiten. Wir arbeiten in unserer OT situations- und kindorientiert. Die Kinder und Jugendlichen entscheiden, was sie interessiert und mit welchen Angeboten wir uns in der Offenen Tür beschäftigen.
Was mich sehr beschäftigt, sind unsere Sorgenkinder. Für mich sind das Kinder, die unter Verwahrlosung in ihren Familien leiden und in denen auch Gewalt, auf welche Art auch immer, stattfinden könnte. In diesen Familien überwiegt nicht die Liebe, sondern das, was an dem Kind stört. Wenn diese Kinder täglich in unsere Einrichtung kommen, haben wir eine gewisse Kontrolle. Diese fehlt momentan einfach komplett. Mit diesen Kindern regelmäßig Kontakt zu pflegen ist schwer, weil die Eltern sich meistens dagegen verwehren. Je nachdem wie lange die Schließungen anhalten, wird man schauen müssen, wie man in diesen Familien dennoch weiter helfen kann.

Das sind aber nur die extremen Fälle. Es gibt auch noch viele andere Kinder, die die Strukturen der OT Raphaelo brauchen. Zuhause haben sie diese nicht, weil die Eltern nicht auf ihre Bedürfnisse eingehen (können). Ich weiß, dass die Kinder in diesen Familien praktisch ihrem Schicksal überlassen werden. Statt etwas mit ihnen zu unternehmen oder beispielsweise mal einen Kuchen gemeinsam zu backen, dürfen die Kinder einen großen Teil des Tages machen, was sie wollen. Viele von ihnen werden zur Zeit noch mehr vor dem Fernseher sitzen, PC Spiele zocken oder "im Netz unterwegs sein".

Hoffen wir, dass wir alle zusammen den Corona Virus immer weiter in den Griff bekommen, damit unsere Offene Tür wieder für alle Kinder und Jugendliche öffnen kann, um so einen wichtigen, pädagogischen Beitrag in unserer Gesellschaft leisten kann.

Ihr und eure Britta Schulze