Ja, es war für mich eine lange Zeit am Palmsonntag in St. Paul, zumal es den großen Temperaturunterschied zwischen dem Kirchraum und draußen gab. Aber als ich um 16 Uhr die Kirche abschloss, hatte ich das Gefühl, die Zeit dort war gut und intensiv.

Vor allem drei kurze Gespräche sind mir in Erinnerung geblieben – alle drehten sie sich um das Thema Angst.

Da war eine bereits etwas ältere Frau aus der Gemeinde, die mehr oder weniger zufällig von der offenen Kirche erfahren hatte. Fast unter Tränen berichtete sie von ihrem Alleinsein und der Angst, wie lange diese wohl noch gehen werde. Nach dem Tod ihres Mannes fühlt sie sich sehr verloren in dieser Zeit der Kontaktsperre.

Eine junge Frau, die etwas später kam, arbeitet als Krankenpflegerin. Sie erzählte, dass es auf ihre Station immer mehr Corono-Erkrankte geben würde. Aus ihren Äußerungen spürte ich die Angst, wie lange sie noch die Kraft habe, ihren Beruf auszuüben und für die Patienten da zu sein, eben Angst vor Überlastung und vielleicht auch vor Ansteckung.

Jemand anderes fragte mich, ob ich etwas wüsste, ob der Friedhof in Beyenburg geöffnet bleibe. Sie habe von ihren Verwandten in Polen die Information, dass dort inzwischen Friedhöfe geschlossen würden, weil sie Ort von Menschenansammlungen, gerade vor Ostern, seien.  Ihr Vater liegt in Beyenburg begraben, aus ihr bricht die Angst hervor, ihn für eine bestimmte – oder unbestimmte – Zeit nicht mehr besuchen zu können. 

Angst, das haben viele Menschen in diesen Tagen. Wie kann ich damit umgehen.  Der Philosoph Günther Anders empfiehlt die Mut zur Angst, und das unter drei Aspekten:

  • Wir dürfen Angst zulassen und sollen uns und andere nicht Angsthasen nennen. Angst ist etwas, was zum Menschen gehört. Diese Angst nennt Anders furchtlose Angst.
  • Angst  soll nach Anders belebend sein. Angesichts der atomaren Bedrohung in den 80er/90er Jahren forderte er ein Hinausgehen und ein Hinausschreien der Angst.  Angesichts von Corona ist das vielleicht nicht so hilfreich, aber Angst wird belebend, wenn man sie einfach ausspricht.
  • Schließlich sollte Angst liebend sein oder auch werden. Ich bin nicht allein mit dieser Angst vor Corona, die ganze Welt ist davon betroffen. Angst führt mit diesem Blickwinkel zur Solidarität. 

Gerade in dieser Karwoche lohnt sich auch ein Blick auf Jesus Christus. Auch von ihm wird berichtet, dass er Angst hatte, auf dem Ölberg und auch am Kreuz hängend. Gott ist in Christus so sehr Mensch geworden, dass er selbst Gefühle wie Angst spürte. Angesichts dieser wahrhaft solidarischen und liebenden Angst, die über den Kreuzestod bis hin zum Sieg über Angst und Tod führt, dürfen wir zuversichtlich und vertrauensvoll in unsere Welt sehen und mithelfen, dass sie furchtlos, belebend und liebend mit ihren Ängsten, aber auch Freuden umgeht.

Thomas Willms